Freitag, 23. August 2013

"Mellem Jyder" — Anholt nach Öer

Häschen in der (Kies-)grube

Montag, 19. August. Da kommt noch vor dem Frühstück Freude auf: Das Schiff aus dem Rheingau, das mit laut schnatternder Crew gestern abend vor Einbruch der Dunkelheit noch an steuerbord von uns längsseits der Pier in die Lücke gequetscht  wurde, touchiert uns beim Ablegen mit seinem ausladenden Heck, und sein Skipper drückt auf die Tube, ohne sich nochmal umzudrehen. Lediglich schimpfen hört man den Unseligen mit dem armen Mann, der die Landleine losschmeißen sollte: " Ich hab doch gesacht Leine los! Dir geb ich nie wieder Verantwortung!..." Hä?! Da wird wohl mal eine Mail fällig, zumal dieses Schiff mit gut lesbarer Webadresse für "Freude am Segeln" wirbt. Leck mich am Dill, do. 

Wir halten das Frühstück kurz, tanken und machen uns auf den psychologisch ungünstigen Weg nach Süden, gegen den Strom. In der ersten Stunde genießen wir mit westlichem Wind noch Segelfreuden, dann dreht der Wind nach Süden und beliebt bald ganz einzuschlafen. Das wird ein laaaaaaanger Tag. Eigentlich wollten wir nach Ebelthoft. Da dieses Ziel aber mit ca. 10 Seemeilen reintuckern in die Bucht (und morgen wieder raus) verbunden ist, einigen wir uns auf das näherliegende Öer, den "sichersten Hafen Dänemarks", erreichbar durch eine Schleuse, die anderthalb Meter Höhenunterschied ausgleicht. Wir haben erstaunliche 3 Knoten Strom gegenan. Das "naaacht an Köpä!" Da muss Nervennahrung her. Mit dem restlichen Reis von gestern und einigen "veganen Zutaten" (vegan = Schimpfwort des Skippers für alle nichtfleischlichen Lebensmittel) bereitet die LF einen köstlichen Imbiss zu. Ansonsten ruhen wir uns abwechselnd aus. Je dichter unter Land wir fahren, desto weniger Strom haben wir gegenan. Die LF liest wieder mal in "Abendrot Schönwetterbot" von Bernhard Michels rum, einem der interessantesten Wetterbücher jemals, und wünscht sich, die ganze wertvolle Information im Kopf zu behalten und abrufen zu können, wenns drauf ankommt. 

Die Steilküste südöstlich von Jylland, bevor wir nach Öer einbiegen, ist so schön wie ein artiges Mädchen im Sonntagskleid, mit sattgrünen Säumen und dunkleren Grasbordüren; Bäume stehen wie Scherenschnitte gegen den blassblauen Himmel. Wir schleusen ohne Verzögerung. Ferienhäuschen säumen den Hafen, eine ehemalige Kiesgrube, die den Charme einer Kiesgrube versprüht. Absolute Windstille macht die hörbaren Geräusche noch häuslicher, als sie ohnehin wären:  Kinderschreien, Geschirrklappern, Besteck wegräumen...

Da das Hafenrestaurant wegen Gesellschaft geschlossen ist, lassen wir uns von einem sehr netten Taxifahrer ein Restaurant in Ebelthoft vorschlagen. Er setzt uns im "Mellem Jyder" ab, wo, wie der Name schon sagt, vor allem Jütländer hingehen. Das Essen ist bezahlbar, vor allem aber frisch und köstlich. Das historische Fachwerkhaus ist vollgehängt mit ländlichen (Stick-)Bildern und bedruckten Kacheln. In dieser entspannten Atmosphäre beginnt das Lokal ein wenig zu schwanken, wie so oft nach einem Tag auf See; zusammen mit den schiefen Fußböden und dem Sabbelwasserpegel des Skippers neutralisieren sich alle Phänomene insgesamt zu einer wunderbaren lauen Nacht, in der vor allem einer die Lampe an hat: der beinahe volle Mond.

Und sonst:
- Wir fragen uns, ob wir noch sozial kompatibel sind für das Leben zuhause und wägen unsere Chancen auf Resozialisierbarkeit. 

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