Donnerstag, 1. August. Beim milde ausgestatteten Schiffsausrüster besorgen wir noch zwei Fender, denn unsere reichen in den Schleusen ja nicht hin und nicht her, wo sich die Steinwände gnadenlos ins Gelcoat reiben. Beim Aufwärtsschleusen wirken beeindruckende Kräfte, wenn das Wasser einströmt. Eigentlich sind wir immer noch unterbefendert, da wir alle Fender an steuerbord brauchen, an backbord aber ungeschützt sind. Eine Schwedin von einem Motorböötchen hinter uns spendet Trost, sie merkt, dass wir etwas im Stress sind, da wir zum ersten mal ein Segelboot schleusen. Sie und ihr Mann schleusen schon seit 20 Jahren hin und her durch diesen Kanal. Da sie aber eine Knieverletzung hat und nicht springen kann, müssen die beiden die Sache sowieso ganz entspannt angehen. Stress macht es nur noch schwieriger, sagt sie. "Let's take it easy together!" Das ist mal eine Ansage, die wirklich hilft.
Stressig und anstrengend ist die Schleuserei dennoch, insbesondere wegen der Tücken verschiedener Objekte: Anlegen und Absetzen der LF mit den Landleinen, in Fahrt bleiben, Abspringen, wieder Aufsteigen, z.T. weit über Schritthöhe, das Boot sauber von der Steinwand absetzen usw. Nach der vierten oder fünften Schleuse bringen wir ein paar patente Lösungen zur Anwendung: Wir hängen die Fender hochtief, der Skipper knüpft sinner Fru ne Stufe aus einem doppelten Palstek, und wir legen die Achterleine beim Ablegen auf Slip, damit Strömung und Böen uns nicht vor der Zeit vertreiben. Faszinierend, wie so eine Schleuse funktioniert. Wuchtige Schönheit einfacher Mechanik: auf, zu.
Und dann die hohe Reizdichte heute: Den ganzen Tag steht uns der Wind im Gesicht, 3-4 Bft, in Böen 5-6 aus West, in Verbindung mit der Enge des Fahrwassers teilweise schweißtreibend. Meistens kommt der Wind genau von vorne, kein Problem; bei Anlegern vor und in den Schleusen düst er aber für uns, die wir an steuerbord anlegen, oft ablandig, sodass wir auf die Nachbarn getrieben werden, die an der linken Seite der Schleusenkammer liegen, wenn die Leinen nicht schnell genug belegt sind, am besten natürlich beide gleichzeitig. Auch schwimmen die Fender gerne mal alle zusammen auf und schieben sich komplett hoch, bis sie tatenlos auf der Schleusenmauer rumliegen. Die neuen Fender sind obendrein nur mühsam zu regulieren, weil ihre Bändsel zu dünn sind, sodass sie sich festziehen (wir müssen dickere besorgen). Zur hohen Reizdichte gehört auch, dass extreme Hitze und Kühle sich abwechseln, sowie das grelle Sonnenlicht, gegen das wir unsere Augen abschirmen müssen, und nicht zuletzt die akustischen Reize: das in die Kammer einströmende Wasser ist ohrenbetäubend laut.
Zum Abendbrot gönnen wir uns regionale Küche. Britta und Lennart Hagström offerieren in ihrer Metzgerei mit Restaurant Fleisch aus eigener Zucht. Im Laden hängt die Haut von Rita, Nummer 3616, an der Wand.
Britta mochte Rita und zog sie jahrelang mit durch, obwohl sie (die Kuh Rita) keine Milch gab. Als sie (die Kuh Rita) dann doch ihr Leben lassen musste, weinte Britta. Eine rührende Geschichte, auch wenn sie einen Beigeschmack von Restaurantmarketing hat. Zu später Stunde bloggen. Fliegen verjagen. Nacht.
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Rita, Nummer 3616 |
Und sonst:
- ein Reiher fliegt zwischen zwei Schleusen voraus
- zum Schleusen braucht man intakte Knie, Sprungkraft, einen guten Gleichgewichtssinn, gute Orientierung, schnelle Auffassungsgabe, ein Gespür für Entfernungen
- Was um alles in der Welt ist "Bondromantik"?
- Wir liegen längsseits am Steg. In etwa 500 Metern Entfernung rasen Schnellzüge durch die Nacht, ein kurzes, prasselndes Geräusch. So wird aus der gesamten Region Bahnhofsrevier.
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