Mittwoch, 21. August 2013

11° 29 Minuten — Getterön nach Anholt

Skären-Design im Hafen von Getterön
Freitag, 16. August. Schon um 4:00 früh fragt der Skipper aus dem Schlaf heraus "Ist es schon hell?!" Nein, ist es nicht. Der Wind soll heute überwiegend südwestlich kommen (ziemlich genau von da, wo wir hin wollen, wie meistens auf der Rückreise), aber zwischenzeitlich ist eine südlichere Phase angekündigt, die wir nutzen wollen, um nach Anholt "rüber zu machen". Die angekündigten 5-6 Bft schrecken uns nicht, aber mit einer wieder maladen LF und einem Gegenan-Kurs wird es wohl nicht sehr spaßig. Vor allem steht eine 1-1,5m Welle gegen uns. Urgh. Die LF legt sich in Lee ab und möchte nur noch, dass es aufhört. Der Skipper meistert alles souverän und hat auch noch Spaß dabei. Hätten wir den Schlag nach Westen heute nicht gemacht, wären wir wahrscheinlich in Getterön hängen geblieben (falsche Küste!), denn der Wind soll in den nächsten Tagen südwestlich bleiben, und am Sonntag soll es richtig Hack geben... Die gestrige Warmfront, gefolgt von einer Kaltfront soll okkludieren (Okklusion = Vermischung der warmen und kalten Fronten), wahrscheinlich mit Trog (Verengung der Isobaren hinter der Kaltfront oder der okkludierten Front, also mehr Wind).

Tatsächlich dreht der Wind am Vormittag nach Süden, und wir können unseren Kurs nach Südwest halten, ohne kreuzen zu müssen. Wir fahren Fahrstuhl auf der "beschissenen Scheiß Kattegatsee", deren Wellen kurz und steil sind. Dennoch wird nicht mal ein Acht-Stunden-Tag draus, aber "acht Stunden sind" ja sowieso "kein Tag"). Auf dem Längengrad 11°29 Minuten nehmen wir die Abkürzung nach Süden zwischen den Untiefen, die weiträumig vor der Insel liegen. Dann schlingern wir in die Einfahrt. Drin hört die Welle schlagartig auf. Der Hafen von Anholt, dem dänischen Ferienparadies im Kattegat, ist ebenso leergefegt wie die schwedischen Häfen. Die meisten Boote sind längsseits der Piers festgemacht, wo sich sonst hunderte von Booten mit der Schnauze an die Stege drängeln. Zunächst gehen wir auch längsseits der Pier, verholen uns aber dann doch lieber mit der Schnauze an den Steg und achtern an eine Heckboje, da längsseits ein "kardiologisches Dauervibrieren" zur Ruhe kommen unmöglich macht. Der Wind wird mal stärker, mal schwächer, dann nimmt er wieder zu, wie es nur der Wind kann. Am Abend bläst er immer noch aus Süden, mit 6-7 Bft, und gibt ein stetes dunkles Grundbrummen mit einem hellen Pfeifen darüber von sich.

Im Molevitten, der einzigen Lokation, die noch geöffnet hat, bekommen wir zum Abendbrot "die letzten Jomfruhommeren"; an den anderen Tischen sitzen Dänen. Ein barockes Tier von einem Mann verdrückt zum Abendbrot zwei Portionen Fleisch und Beilagen, die er mit mächtig viel Rotwein herunterspült, bis er am Tisch einnickt, unweckbar. Ein ortsansässiger Handwerker mit Frau am selben Tisch, dessen Auto volle Breitseite vor der Tür steht, bedient sich von der Schachtel Zigaretten aus der Hemdtasche des Schlafenden. Es wird gegrölt und gelacht. Draußen bläst es ohne Unterbrechung. Auf dem Rückweg vom Molevitten presst der Wind uns Sand in die Augen.

Und sonst:
- "Hack" ist in diesem Fall hier nicht das durch den Wolf gedrehte Fleisch für Spaghetti-Bolognaise, sondern kräftiger Wind. "Orntlich Hack" oder "richtig Hack" ist mehr Wind, als wir normalerweise freiwillig für einen Amwindkurs in Kauf nehmen, also 7 oder 8 Bft.
- Die grüne Anholtsee ist eine der schönsten Seen unseres Reviers; es steht auch bei wenig Wind immer eine kleine Brandungswelle mit sauberem weißem Schaum auf den feinen Sandstrand. Kaum wird man ihrer ansichtig, will man eintauchen.

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