Montag, 12. August 2013

"Are you going down today?" — Sjötorp nach Mariestad


Mittwoch, 7. August. Der Himmel hält sich bedeckt, die Luft ist auf erträgliche 19°C abgekühlt. Die LF hat bedauerlicherweise die Geschichte vom Hundertjährigen, der aus dem Fenster stieg und verschwand, zu Ende gelesen. Wenn die Schweden auch nur ein Fünkchen von der Kreativität und dem Humor des Autors dieser Räuberpistole haben, dann müssen sie einfach ein gutes Volk sein. "Are you going down today?", will ein junger Schleusenwärter von uns wissen. Er ist extra zu unserem Liegeplatz kommen, um in Erfahrung zu bringen, wann "genau ungefähr" wir starten wollen. An der nächsten Schleuse, direkt am Hafen, treffen wir auch die deutsche Schleusenwärterin einer vorherigen Schleuse wieder. Die junge Frau ist in Schweden hängen geblieben. Ihr steht nur ein Auge zur Verfügung, weshalb sie offensichtlich keine Entfernungen schätzen kann, wie die LF beobachten konnte, als jene in der vorletzten Schleuse unseren Platz einschätzte: "Sie haben noch einen Meter", wollte sie uns beruhigen. Tatsächlich hatten wir aber noch etwa sechs Meter zur Verfügung. 

Auf dem Väner See, den wir liebevoll "den Werner" nennen, kommt der Wind wieder daher, wo wir hin wollen. Aber wir bleiben ganz gelassen heute, machen Witze über den Meister-Sklave-Drill, den das Wetter mit uns abzieht und übertragen ihn auf alles mögliche: "Batterien laden!" "Batterien entladen — sofort!" usw. Am Ende kommt alles mal dran, und alles hat seine Berechtigung zu seiner Zeit. Läuft doch immer wieder auf dasselbe hinaus, nämlich "Turn Turn Turn" von Pete Seeger, und der hats auch nur abgeschrieben vom Prediger, Kapitel drei, das vor etwa ungefähr knapp dreitausend Jahren geschrieben wurde.

Voraus kommt eine Brücke in Sicht (Sundsörenbrücke), die wir bei der Tourplanung übersehen haben, und sie sieht sehr niedrig aus. In der Karte steht 18m. Brücken müssen aber Toleranz haben, denken wir. Ohne Toleranz wäre die Welt steinhart oder eisenhart, auf jeden Fall hart. Unser Mast ist 18,30m, incl. der Windex. Wir wägen das Schlimmste (dass wir uns die Windex abfahren) und riskieren die Durchfahrt, da ansonsten ein großer Umweg bevorstünde. Und siehe: wir passen durch. Zum ersten mal im Leben werden wir der Toleranz einer Brücke teilhaftig, das fühlt sich gut an. Zum Dank intonieren wir unter ihr "Blind man..." und stellen fest, dass sie auch noch sehr schön resoniert. Alles in allem: eine gute Brücke. 

In Mariestad, einem Städtchen mit einem riesigen Dom, liegen wir längsseits der ewig langen Gästepier. Von einem Stadtbummel bringen wir eine sehr ansehnliche Kakaobohne mit, die vorher das Fenster eines Schokoladenlädchens dekorierte. Kopfstein pflastert unseren Weg. Wir passieren ein "Altersheimcafe", unschwer zu erkennen an den "Frauen mit Frisuren". Da gehen wir nicht hinein. Eine Stille liegt über der ganzen Stadt, obwohl wir, wie der Name schon sagt, Mitt-Woch haben. Ausgestorben! Nicht ausgestorben!

Und sonst:
- Der Skipper erzählt dem Schleusenwärter, wie man durch einfache "Bäckereinavigation" immer hundertprozentig genau weiß, wo man ist: morgens Brötchen kaufen gehen, von der Tüte die Adresse ablesen.  
- Das Wasser vom Werner ist trübe, bräunlich. Kein Vergleich mit dem Vättern!



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