Montag, 26. August 2013

"Bloß keine Fingerabdrücke!" — von Aarö nach Sonderborg

Samstag, 24. August. Wir machen uns noch vor dem Frühstück auf den Weg, da sich die Strecken wegen des Stroms verlängern. Draußen bläst es allerdings schon auf die Art, die ohne  Nahrungsgrundlage bei der LF Übelkeit verursacht, zumal ja schon direkt kräftig zugelangt werden muss. Von wegen "halber Wind, da ziehen wir einfach die Lappen hoch, lassen uns nach Süden pusten und frühstücken gemütlich dabei". Wir starten gleich mit 5 Bft, in Böen 6, also ziehen wir noch vor dem ersten Schluck Tee zwei Reffs rein. Dann gibts ein Lachsbrötchen, handlich zusammengeklappt. Fertig. Versöhnlich ist der Ausblick. Das Land zeigt hier und da seine offenen Flanken aus Sand, grün gesäumt, gehalten von Bäumen und Sträuchern, und wenn die Sonne ein solches Fleckchen erleuchtet, rieselt es Glücksgefühle.
Wir donnern bei zunehmend ruppigem Gebläse nach Süden, über Grund machen wir aber 2 Knoten, also um und auf ein Drittel weniger Fahrt. Passieren einen gekenterten Katamaran. Die Aufrichtung bei dem Hack ist schwierig. Wir fragen, ob wir helfen können. Die beiden Männer wollen es aber selber richten. In den Fjorden dreht der Wind so nach vorne, dass wir den Rest "mit Heinz" zurücklegen. Dabei dosiert der Skipper und Rudergänger, der dünne Handschuhe trägt, das Gas mit spitzen Fingern so feinfühlig, dass die LF sich unweigerlich in einen Krimi versetzt fühlt: "Bloß keine Fingerabdrücke auf dem Gashebel hinterlassen!" Es riecht nach Raps und Rauch.

In Sonderborg geht nur noch Päckchen, obwohl es erst Mittag ist. Wir brauchen auf jeden Fall eine Pause, zum Frühstücken und Wetter aktualisieren. So schön es auch wäre, noch bis Schleimünde weiter zu fahren und dort vielleicht ein paar Segelkameraden zu treffen — wir entscheiden uns, hier zu bleiben und den Rest der Strecke morgen in Ruhe zu erledigen, falls das Wetter es zulässt. Es ist gemütlich, nach dem Getose von Wind und Welle fest zu sein, auch wenn der kein bisschen nachlassende Ostwind einen sehr unangenehmen Schwell in den Stadthafen drückt. Später erweitert sich unser Päckchen noch. Wind und Schwell versetzen unseren Dreier in ständige Bewegung, das äußerste Schiff ruckt immer wieder in die viel zu kurzen Leinen ein. Hng. Der Wind soll Nachts so weiter blasen. Die Aussichten auf Beruhigung sind also null. Nachdem der Stress von der Fahrt von uns abgefallen ist wie die Haut von einer Schlange, wir Landleinen gelegt und der Dritte sich langwierig mit Leinen und Springen an uns fest gemacht hat, trifft der Skipper zugunsten einer ordentlichen Mütze-voll-Schlaf-heute-Nacht eine unpopuläre Entscheidung: Wir verholen uns in den Yachthafen um die Ecke. Lange Gesichter beim Dritten Mann. Nichts für ungut. Aber nutzt ja nix. Im Yachthafen liegen wir zwar konventionell und ohne soziale Anbindung in einer Box mit Pollern, überblicken aber zum Ausgleich den gesamten Horizont: Ein kühles Grau im Nordosten und ein warmes Rot im Westen stehen sich in EINEM Himmel gegenüber. Kaum Schwell. Die Möwen buchstabieren sich gegenseitig was vor. "L, L, L!" Na dann: Gute Nacht.

Und sonst:
- Reffen=Segelfläche verkleinern
- Fahrt über Grund, Fahrt durchs Wasser. Wenn die Fahrt durchs Wasser auf dem Kurs nach Süden 7 Knoten beträgt, der Strom aber mit zwei Knoten nach Norden setzt, also dagegen steht, legt man tatsächlich über Grund nur eine Strecke von 5 Meilen pro Stunde zurück. So kommt es, dass Strecken, die man normalerweise locker bewältigen würde, eine "drittel Ewigkeit" länger dauern.
- Päckchen. Wenn alle Plätze längsseits der Piers besetzt sind, legen sich die Schiffe aneinander, sodass sich Zweier-, Dreier-, Vierer- und noch größere Päckchen ergeben. Wenn ein Hafen besonders klein ist, wachsen die Päckchen der gegenüberliegenden Stege so weit an, dass sie in der Mitte zusammenstoßen und man den Hafen zu Fuß überqueren kann.

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