Dienstag 9. Juli
Schade. Wegen einer herannahenden Front mit viel Wind (und Regen) in den nächsten beiden Tagen verholen wir uns lieber weg von Byxel und steuern Västervik auf dem Festland an. Da können wir einwehen und sind gut versorgt. Aufgewacht in Gedanken an die Lebensbedingungen auf dem Schiff. Ihre Funktionalität (ja, die Chill Out ist eine sie) ist immer wieder beeindruckend, ebenso wie die praktische, immer wohl durchdachte Ausstattung an Bord der meisten anderen Exemplare derselben Spezies, derer man bei Hafenrundgängen gewahr werden kann... Der menschliche Körper, einmal aus dem Alltag an Land losgeeist, muss sich auf Borddimensionen neu einstellen: bücken, ducken, rückwärtsgehen usw. An Bord fügt man sich besser, stellt ganz von selbst seinen Mutwillen ein, wenn man nicht einen an der Waffel hat.
Die See ist unruhig heute. Wir sind wieder "auf der Rolle". Bei anfänglich 4, zunehmend 5 Bft, in Böen 6 aus Süden brettern wir mit 7-8 kn nach NNW. Wegen dem Halsenkurs packen wir das Groß bald weg. Das Bergen des Segels bei dieser Art Wind und Welle ist so, als versuchte man, Vokabeln zu pauken, während man von einem aufgebrachten Lehrmeister den Hintern versohlt kriegt. Den Rest der Strecke erledigen wir nur mit Fock. Das geht immer noch schnell genug. Am Nachmittag "Surfin'" auf 1m Welle, ausnahmsweise mal nicht "juh-äss-äi", sondern unsere geliebte alte Ostsee. Mit 5 Knoten Fahrt sind wir nach dem Geschmack der Rudergängerin, die auch dem Skipper sin Fru und außerdem Führerin des Lockbuchs ist (und ewig lockt das Weib!), für die Schären eigentlich immer noch zu schnell. So schnell kann sie gar nicht genießen, und gegen die Sonne erkennen wir die Durchfahrten nur mit Mühe. Tonnenwälder. Ja, heute ist "anschären", denn es liegen auf unserem Kurs ein paar Felsen in der Gegend rum, die den Namen Schäre wirklich verdienen. Ihr Duft ist besser als "Der Duft der Frauen"! Ein paar Kabellängen riechen unsere geschärften Nüstern intensiven Lilienduft auf der Kippe zu schwersüßem Stink. Dann nur noch nadelöliger, würziger Schärenatem. Die Schären sehen aus wie "die schwarze Nasse", ein "Schaf, dass sich umdreht" oder ein "Insekt, dass sich in ein Nashorn verwandelt" usw. Wir steuern auf die Felsen zu, um dann im letzen Moment scharf nach steuerbord einzudrehen. Bezaubernde Durchfahrt zwischen Sparö und Grönö, so schmal, das gerade mal zwei Boote nebeneinander Platz haben, eins in jede Richtung. Wir halten die Luft an, damit es sich ausgeht. An Backbord ein Steg, der seine besten Tage hinter sich hat.
Bei Ankunft Västervik "Hallo die Enten!" Eine Entenmama paddelt gemächlich aufs Ufer zu, sechs flaumige Kinder mit absolut synchronen Bewegungen in Reih und Glied hinterher. Der Abend ist lang und grau, aber lau. Noch um 22:15 hat es 21°. Wir sitzen ärmel- und beinfrei im Cockpit und lauschen dem Abend. Von einem der Nachbarschiffe eine raunende Frauenstimme. Sie liest ihrem zigarrerauchenden Skipper eine Gutenachtgeschichte.
Und sonst heute:
- Das Dingi ist beim Manövrieren immer im Weg. Verfängt sich in Heckbojen, belegt Klampen.
- Der Delius Clasing Kartensatz ist zwar schön gezeichnet, aber so dämlich unterteilt und nummeriert, dass man es kaum aushält, weshalb er bei der Rudergängerin so verhasst ist "wie nix Gutes"
- Besoffener Schwimmsteg in Kombination mit zu locker sitzenden und zu griffigen Schuhen der Rudergängerin ergibt: einmal kräftig stürzen. Sie ist nun von blauen Flecken so übersäht (die unzähligen Blaugrünen, die das Bordleben ihr hinzugefügt hat, mitgezählt), dass sie sich locker für jedes Frauenhaus qualifizieren würde. Das sieht der Skipper natürlich: ganz gelassen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen